Der lange Abschied… Eigentlich wollte ich ja kein Rezept mehr posten, um nicht mein ganzes Pulver für die Kochkurse zu verschießen. Aber Sven hat mich auf Facebook so dringlich auf das Moretum-Gedicht hingewiesen, dass ich nun doch nicht widerstehen konnte: es gibt also heute noch Moretum.
Moretum heißt einfach „gemörsert“, und da so ein Römer ja ungefähr alles mörsert, was nicht bei 3 auf dem Baum ist, kann es eine ganze Menge essbarer Sachen meinen. Columella, ein Autor des späten 1. Jhs.n.Chr., hat unter der Bezeichnung Moretum etliche Rezepte im Programm, die alle gemeinsam haben, dass man erst eine Menge Kräuter und Gewürze mörsert, mit Olivenöl haltbar macht und dann nach Belieben Käse oder den Salat damit würzt. Ein Moretum ist also nichts anderes als ein Pesto. Und das kann ja auch aus unterschiedlichen Zutaten bestehen, rot oder grün…
Das Moretum, das ich heute vorstelle, wird in einem Gedicht beschrieben. Übrigens, Sven, da muss ich Dich leider korrigieren: das Gedicht ist zwar aus der Vergilzeit (also um die Zeitenwende), aber nicht von Vergil selbst, sondern aus einem Appendix. Einfach gesagt: da das Gedicht gut zu Vergil passte, aber vom Umfang her keine eigene Schriftrolle lohnte, hat man es im Mittelalter einfach zu einer Sammlung von Vergil-Gedichten hinzugeschrieben.
In dem Gedicht wird beschrieben, wie ein Bauer sich morgens vor der Arbeit seine Brotzeit im Mörser zubereitet: er geht in den Garten, pflückt dort Knoblauch und Kräuter und verreibt sie zusammen mit Käse im Mörser, und zwar so lang, bis man keine einzelne Farbe mehr erkennen kann, sondern die „Farb´ ist aus mehreren eine“. Auf Latein: ex pluribus unum. Kommt das jemandem bekannt vor? Richtig: das ist das Motto auf dem Wappen der Vereinigten Staaten von Amerika. Ob die Amis wohl wissen, dass sie ihr Staatsmotto einem Käserezept verdanken?
Wie Sie schon merken, ist dieses Gedicht ein schier unerschöpflicher Quell der Freude, aber ich will mich heute mal kurz fassen und schreibe daher einfach, welche Zutaten Sie für ein zünftiges Moretum brauchen, nämlich:

500 g Ziegenkäse Feta-Art
2 Zehen Knoblauch
Eine kleine Handvoll Selleriegrün
2 Zweiglein Weinraute
5-6 Stängel Koriandergrün
Olivenöl

Schneiden Sie den Knoblauch und die Kräuter sehr fein und verkneten Sie alle Zutaten gut mit dem Käse. (Das geht einfach am besten mit der Hand… Mit Rücksicht auf Corona waschen Sie Ihre Hände natürlich gründlich und/oder ziehen Einmalhandschuhe an!) Wenn der Käse zu krümelig ist, fügen Sie etwas Olivenöl hinzu. Salz muss nicht zugegeben werden, da die Käselake genug Salz enthält.
Wenn Sie möchten, können Sie zum Servieren kleine Bällchen formen und in fein geschnittenen Kräutern wälzen, damit sie nicht miteinander verkleben.
Zum Aufbewahren füllen Sie den fertigen Käse in Gläser, streichen die Oberfläche glatt, wischen den Rand sauber und gießen so viel Olivenöl darüber, dass der Käse ganz bedeckt ist. So hält er sich im Kühlschrank bis zu zwei Monate. Aber machen Sie sich darüber keine Gedanken,- meist ist er sehr schnell aufgegessen!

Den Ziegenfrischkäse können Sie sehr gut in Dosen im türkischen Lebensmittelhandel kaufen („keci peyniri“). Die Weinraute ist etwas schwieriger zu bekommen. Getrocknete habe ich natürlich im Shop, aber es schmeckt einfach besser, wenn Sie frische verwenden. Also googeln Sie am besten den Kräutermarkt Peci in Wesel,- oder gehen Sie am Freitag auf den Halterner Wochenmarkt… Herr Peci hat einfach alles, auch frische Weinraute, und verschickt sie auch. Am besten pflanzen Sie sie gleich in Ihren Garten oder Balkonkasten, um für das nächste Moretum autark zu sein!